
Anna Bogouchevskaia © Roman März
Yussef Agbo-Ola und Anna Bogouchevskaia
Eröffnung
5. Oktober 2025, 16 Uhr
Öffnungszeiten
Sa – So, 12 – 18 Uhr
Events
—
Eintritt
Frei
Foto 1–3: Yussef Agbo-Ola Werkansichten, Foto 4–6: Anna Bogouchevskaia Werkansichten © Roman März
Kuratiert von Gesa Zipp und Isabella Greenberg
Die Ausstellung Beyond Sight lässt Werke von Yussef Agbo-Ola (*1990, Newport News, Virginia, USA) und Anna Bogouchevskaia (*1966, Moskau, Russland) in Dialog treten, um verborgene Verflechtungen von technologischen Entwicklungen, kulturellem Gedächtnis und fundamentalen natürlichen Kräften auszuloten – Strukturen, die sich jenseits des unmittelbar Sichtbaren entfalten, aber unsere Gegenwart wesentlich mitprägen.
Im Spannungsfeld von Architektur, Imagination und anthropologischer Forschung eröffnet Yussef Agbo-Olas künstlerische Praxis neue Perspektiven, die Natur nicht als Ressource, sondern als ein intelligentes und spirituelles System wechselseitiger Beziehungen begreifen und zu neuen Formen der Wahrnehmung und Fürsorge aufrufen. Seine Werkserie Medical Skin Species widmet sich der materialbasierten Erkundung ökologischer und kultureller Gedächtnisse und offenbart unsichtbare Zusammenhänge in natürlichen Kreisläufen. Die in Rahmen aufgespannten Stoffe, deren Form an Tierhäute erinnert, sind handgestrickt und knüpfen an symbolische Textiltraditionen der Kulturen der Yoruba und Cherokee an. Motivisch werden Lebensformen, die nur in mikroskopischer Vergrößerung wahrnehmbar sind, und vom Aussterben bedrohte und bereits ausgestorbene Tierarten aufgegriffen. Mit natürlichen Materialien wie pflanzlicher Asche, Ton und Algen, aber auch Plastikfasern, die in Ozeanen gesammelt wurden, verweisen sie auf Gewässer als lebendige Archive, als Träger kollektiver Erinnerung, spiritueller Praktiken und ökologischer Zyklen. Die aus amazonischem Angelique-Holz gefertigten Skulpturen der Bone Totem Series greifen Vorstellungen auf, in denen Blumen, Steine oder Bäume als beseelte Wesen und die natürliche Welt nicht als getrennt vom Menschen, sondern als Teil eines vielschichtigen Beziehungsgeflechts verstanden werden. Mit seiner Arbeit regt Agbo-Ola dazu an, über neue Formen der Verbundenheit zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Lebensformen nachzudenken. Die Verbindung von Mikro- und Makroperspektiven lässt experimentell Zugang entstehen zu Konzepten von Hybridität, wie Donna Haraways Idee des „Tentakulären“, die ökologische, soziale und epistemologische Verbindungen als nicht-lineare, rhizomatische Netzwerke versteht.
Im Werk von Anna Bogouchevskaia entstehen im Skulpturalen fantastische Welten, die eine fremdartige Atmosphäre heraufbeschwören und einen neuen Blick auf natürliche Phänomene ermöglichen. Vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt, in der das Gleichgewicht zwischen Zivilisation und Natur erschüttert ist, stehen Momente der Transformation und die Fragilität natürlicher Schönheit im Fokus ihrer Arbeit. Im Zentrum ihrer Werkserie Outside of Time steht eine Großskulptur (im Außenbereich vor dem Haupteingang), die durch zwanzig kleinere Skulpturen ergänzt wird. Bogouchevskaia untersucht die Formenvielfalt flüchtiger Aggregatzustände. Ihre zarten, tropfenähnlichen Gebilde scheinen aus bewegter Materie zu wachsen und erinnern an Pflanzenformen, Mikroorganismen oder amorphe Wasserwesen. Inspiriert von makrofotografischen Aufnahmen und filmischer Zeitlupe reflektieren die Arbeiten über jene Dimensionen des Sichtbaren, die sich der alltäglichen Wahrnehmung entziehen. In Anlehnung an Walter Benjamins Begriff des „optisch Unbewussten“ laden ihre Skulpturen zu einem erweiterten Sehen ein. Sie visualisieren dasjenige, was sich nur unter Einsatz technischer Mittel offenbart, und transformieren flüchtige Prozesse in greifbare, plastische Formen und das mit Ewigkeit assoziierte Material der Bronze.